beroptimierung oder „Curve-Fitting“ ist der große Feind!

Aber was ist das und wie kann man damit umgehen?
Der Autor selbst hat zwar einige (negative) Erfahrung mit überoptimierten Systemen (Curve-Fitting), aber er bezieht sich im vorliegenden Beitrag auf die Ansätze bekannter Systemtrader, wie Thomas Stridsman, Kevin Davey und Andrea Unger. Erstaunlicherweise haben alle drei Ansätze trotz klarer Unterschiede doch auch eine klare Übereinstimmung.

Welcher Typ sind Sie?

Wollen Sie Geld verdienen oder schöne Systeme kreieren? Sie mögen jetzt sagen: „natürlich Geld verdienen!“, aber Stop – nicht so schnell. Ich kenne viele Trader, die vom diskretionären Trading zum vollautomatisierten Ansatz übergehen, da die Erwartungen und oft auch der emotionale Druck einfach zu groß waren. Den hat man beim systematischen Ansatz zwar auch, aber wenn man auf dem Papier erst einmal einen heiligen Gral entwickelt hat und dann damit Live geht, ist die Welt erst einmal wunderbar. Die Traderseele ist endlich zufrieden und die Ergebnisse des Backtest werden schon einmal in die geträumte Zukunft übertragen. Man hat es scheinbar geschafft.

Scheinbar…

Die Realität

Enttäuscht vom diskretionären Ansatz suchen viele Trader Zuflucht im vollautomatischen Ansatz. Hier können sie ein System bauen, dass ihrem psychologischen Ansatz entspricht.

Wer gerne Recht hat baut z.B. gerne Systeme mit hoher Trefferwahrscheinlichkeit, aber auch der Nettoprofit oder der Profitfaktor sind hier beliebte Kennzahlen, auf die gnadenlos optimiert wird. Auf den Drawdown oder den Gewinn pro Trade wird dagegen höchsten auf den zweiten Blick geschaut.  Wenn die Grundidee nicht zufriedenstellend aufgeht kann man ja noch den Filter XY einbauen, ob er zu dem System passt oder nicht. Negative Wochentage oder Monate werden entfernt und die optimalen Parameter für Indikatoren, Filter, Stop und TakeProfit herausgefunden. Optimal in der Vergangenheit…

Der Autor dieser Zeilen hat sich auf diese Weise selbst viele Jahre „in die Tasche gelogen“ und perfekte Systeme gebaut, die aber letztendlich nicht funktioniert haben. Seien Sie schlauer und finden früher einen Weg, die Fallstricke des Curve-Fitting zu überwinden. Ich will auch nicht sagen, dass die oben beschriebene Vorgehensweise gar nicht funktioniert, aber man braucht dann wohl begründbare Systeme und eine Menge Glück.
Das nachfolgende Bild wurde dem Handelssystem „Saisonalität im Gold“ entnommen. Es zeigt sehr gut, wie ein überoptimiertes System aussieht, wenn es in den Live-Handel gegangen ist. Das vorliegende Beispiel ist allerdings nicht optimal, da hier auch einfach eine Marktveränderung stattgefunden haben könnte…

Saisonalität im Gold IS Curve-Fitting
…aber wie dann?

Schauen wir doch einfach einmal auf diejenigen, die nachweislich Erfolg im systematischen Tradingansatz haben und dies auch weitergeben.

Da wäre erst einmal Andrea Unger, der vierfache Tradingweltmeister. Er hat zwar kein Buch geschrieben, dass in deutscher Sprache erhältlich ist, hat aber einen interessanten Youtube-Kanal und lehrt innerhalb seiner „Unger-Akademie einen vollständigen Weg, erfolgreiche Systeme zu entwickeln.
Kevin Davey ist der zweite grosse Name in der Szene und auch er lehrt einen nachvollziehbaren Weg, Systeme zu entwickeln. Seine System-Factory ähnelt dem Ansatz von Andrea Unger sehr, aber dazu gleich.

Der dritte im Bunde ist Thomas Stridsman, ein bekannter Autor und Redner. Er mag nicht ganz so bekannt sein wie die beiden vorgenannten, aber sein doch recht strenger Ansatz soll das Bild hier abrunden.

Der Ansatz von Andrea Unger

Der Autor dieser Zeilen ist zugegebenermassen befangen, da er sich als Schüler von Andrea Unger bezeichnet und zumindest in der Unger-Academie die Kurse teilweise durchlaufen hat. Der vierfache Weltmeister sieht die Gefahr der Überoptimierung sehr deutlich, hat aber einen recht pragmatischen Lösungsansatz. Er optimiert seine Systeme mit gesundem Menschenverstand ohne zwingend einen sogenannten Out-of-Sample-Test zu machen. Beim OoS-Test wird im Backtest bereits ein entwickeltes System in einem bestimmten Zeitraum entwickelt und auf einem anderen Zeitraum untersucht, ob es immer noch funktioniert hätte.

Andrea Unger verzichtet wie gesagt auf den OoS-test bei der Systementwicklung, beobachtet den fertigen Ansatz aber erst einmal ein paar Monate lang. Der OoS-Test beginnt also erst nach der Systementwicklung und nicht schon währenddessen. Bei der Entwicklung beachtet er bereits die Charakteristika des ausgewählten Marktes und erhöht so von vorne herein seine Chancen.

Der Ansatz von Kevin Davey

Dieser Ansatz ähnelt dem vorherigen stark und es ist wohl auch keine Zufall, dass zwei extrem erfolgreiche Trader die gleichen Sachen richtig machen.

Kevin Davey legt sehr viel Wert auf Out-of-Sample-Tests und Monte-Carlo-Simulationen, auf die hier aber nicht näher eingegangen werden soll. Er hat z.B. einen Club gegründet, bei dem Systeme über ein halbes Jahr unter realen Marktbedingungen beweisen müssen, dass sie nicht überoptimiert sind und dann bei Erfolg unter den Teilnehmern ausgetauscht werden. Daran sieht man schon, welche Bedeutung er dem Curve-Fitting beimisst und er bezeichnet dies auch als einen der  beiden größten Fallen im Systemhandel, neben der Nicht-Beachtung von Slippage und Gebühren.

Seine Lösung entspricht dem Ansatz von Andrea Unger auf eine Art und Weise sehr stark: Kennzahlen wie Trefferquote und Profitfaktor sind nicht das Hauptaugenmerk. Das Risiko wird stark beachtet und die Ansätze nicht extrem optimiert. Er bekommt seine perfekte Kurve dadurch, dass er 80 Systeme im Portfolio hat, die wenig miteinander korrelieren. Andrea Unger hat ebenfalls viele Systeme (über 200) und schaltet diese regelmässig an und ab, sodass monatlich die ca. 30 besten im Einsatz sind.

Der Ansatz von Thomas Stridsman

Dies ist sicherlich die rigoroseste Art und Weise mit Optimierung umzugehen: Sie findet einfach nicht statt! In seinem Buch beschreibt er Systeme, die entwickelt wurden und auf einer Unzahl von Märkten angewendet werden, wobei dies auf einer gewissen Anzahl von Märkten zwangsläufig nicht profitabel ist. Aber unter dem Strich bleibt Profit übrig und mit geschicktem Money-Management wird dieser dann entsprechend potenziert. Solche Systeme auf einer grossen Anzahl von Märkten anzuwenden, bedarf sicherlich eines größeren Timeframes. Aber Thomas Stridsman braucht sich um Curve-Fitting keine Gedanken machen und auch wenn einzelne Märkte sich verändern, hat dies kaum Auswirkungen auf sein System – die Gewinne dürften recht planbar sein.

Zusammenfassung

Obwohl die drei vorgestellten Ansätze im Detail und auch im Grundansatz verschieden sein mögen sind doch zwei entscheidende Dinge übereinstimmend:

  • Curve-Fitting wird als sehr ernst zu nehmender Gegner wahrgenommen und findet zu jedem Zeitpunkt Beachtung
  • Es werden keine optimalen Systeme entwickelt. Das Geheimnis des Erfolges liegt im Handelssystemportfolio!

Wenn so erfolgreiche Trader in diesen Punkten so klar übereinstimmen sollten wir vielleicht auch überlegen, mehr in diese Richtung zu denken und dem einzelnen System nicht mehr zu viel Aufmerksamkeit widmen, indem wir versuchen es auf die Vergangenheit anpassen. Die Zukunft liegt in gut diversifizierten Portfolios!

Curve-Fitting
Risikohinweis

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